Erfahrungsbericht: Photobuch Saal Digital "Professional Line"

Wie es dazu kam

Wer Photographie sein Hobby nennt, steht ja häufig vor der Frage: was mache ich nur mit den ganzen Bildern (außer mich irgendwann später einmal mit unendlichen Dia-Shows bei eventuellen Enkeln unbeliebt zu machen, natürlich)?
Variante A, ganz dem Zeitgeist folgend: einfach mal alles bei Instagram abladen. Bei genügend Hashtag-Phantasie kann man sich und sein Werk dort immerhin in vielerleuts Alltag hinein-sneaken. 

Vermutlich weil ich Instagrams Marketing-Werkzeugen hinreichend Photographie-affin erschien, machte mich dort Saal Digital im Spätsommer mit einem 100 EUR-Gutschein nochmal nachdrücklich auf Variante B aufmerksam: das Photobuch der "Professional Line" als greifbarere und weniger flüchtige Alternative zur digitalen Verbreitung. Einzige Bedingung des Gutscheins war eine Bewertung des Endprodukts. Et voilà!

Ich habe inzwischen einige Erfahrungen mit den verschiedensten Photo-Verarbeitern gesammelt (natürlich mit diversen Cewe-Frontends, also Pixum/dm/Rossmann, etwas länger zurück versuchsweise auch schon mit Saal Digital), dabei ging es allerdings meist um Kalender oder andere Druckprodukte mit Giveaway-Charakter.
Dieser Gutschein gab mir nun also einen triftigen Grund (und der durch Corona ausgedünnte Alltag auch die nötige Zeit), mal ein Photobuch in eigener Sache zu bauen.

Zugegebenermaßen hatte Saal Digital schon einen gewissen Bonus, der dazu geführt hat, dass ich überhaupt auf diesen Gutschein angesprungen bin, denn: deren Erbe liegt im Professional-Umfeld - weswegen sie für die allermeisten Produkte z.B. InDesign-Vorlagen bereitstellen.
Auf denen aufbauend lässt sich dann "freihändig" gestalten und ein finales pdf hochladen, was ich für ein Portfolio-Photobuch nochmal wichtiger finde als für beispielsweise die bisherigen Kalender. Denn schon dabei habe ich die jeweils proprietäre Design-Software* als größten Schmerz empfunden. Entweder ist sie buggy, sodass man gleich mehrfach das Vergnügen hat. Oder sie schränkt unnötig ein* und man muss sich mühsam gegen lauter Bonbon-bunte Gruseligkeiten oder 
automatische, vermeintliche Bildoptimierungen wehren. Kurz gesagt: ich glaube, Pixum & Co. hätten mich mit einem identischen Gutschein nicht an die Arbeit bekommen.
[* Ja, Saal Digital erlaubt auch Kalender anhand von Vorlagen frei zu designen, aber der Zeitaufwand, erst ein eigenes Kalendarium zu basteln, steht in meinen Augen in keinem Verhältnis.]

Und wie war & ist es nun?

Der Plan, ...

Alle Eindrücke beziehen sich auf die folgende Konfiguration:

  • Photobuch Professional Line
  • 30 x 21 cm
  • 130 Seiten, HighEnd-Druck matt
  • Cover Naturleinen

Macht insgesamt gut 184 EUR, abzüglich 100 EUR Gutschein.
Ich bin dem Gutschein-Mechanismus also doch auf den Leim gegangen ;-) 

... der Weg...

Positiv

  • Simple, aber zuverlässig funktionierende Unterstützung beim "freihändigen" Design durch schlanke InDesign-Templates und Voreinstellungen für Druck-konformen Export des pdfs
  • Kaum Wartezeit nach pdf-Upload  (in meinem Fall per Browser), bis eine finale Druckvorschau bereitsteht
  • Schnelle Durchlaufzeit & Lieferung

Negativ

  • Für das Layout eines Leinen-Covers ist man leider doch wieder auf eine Gestaltungs-Software im Browser angewiesen - und die sorgt für einigen Frust. Limitierte Auswahl an Schriftarten, nur grob gestufte Schriftgrößen, undifferenzierte vertikale Ausrichtung oben/mittig/unten, keine Chance ein  Logo o.ä. unterzubringen (das könnte auf Leinen meinetwegen gern monochrom und grob gerastert ohne Garantie der Druckqualität sein), ...
    Der Support verwies auf Leder weiß, Acryl bzw. Druck-Cover in glänzend und matt, wenn man mehr Freiraum will. Und im Fall von Leinen soll wohl an der Software geschraubt werden - keine Ahnung bis wann. 
    Den jetzigen Zustand finde ich völlig inkonsequent, erst recht für ein Produkt mit diesem Qualitäts-, Professionalitäts- und aber auch Preisanspruch. 

... und das Ergebnis

Positiv:

  • Sehr präzise, ausgewogene Farbwiedergabe, trifft ziemlich exakt das gewünschte Ergebnis aus der Nachbearbeitung
  • Tolles seidenmattes Papier mit hoher Fingerabdruckresistenz, das sich ein bisschen gewachst anfühlt, kaum spiegelt und sich zum Blättern gut greifen lässt
  • Layflat-Bindung verdient diese Bezeichnung und eröffnet echten Spielraum im Layout, ohne ständig eine Schlucht zwischen zwei Seiten umschiffen zu müssen
  • Akkurat gearbeitetes, hochwertiges, fast massives Cover aus schön anzusehendem und anzufassendem Material (Naturleinen hat für meinen Geschmack genau die richtige Grobheit - die farbigen Leinenvarianten sind viel feiner und weniger natürlich, eigentlich nicht vergleichbar, wirken ziemlich künstlich, noch dazu unter viel Farbe versteckt)

Negativ:

  • Sehr dunkle/schwarze Bildbereiche werden seltsam scheckig, je nach Lichteinfall fällt das durchaus auf.
    Ich kann mir vorstellen dass das am Druckverfahren und einer Übersättigung des Papiers liegt - wäre halt mal interessant auszuprobieren, ob das bei klassischem Photopapier auch auftritt.
  • Ein bisschen Sorge macht mir die Bindung: die Innenseiten haben Spiel zwischen den Cover-Deckeln und hängen in die eine oder andere Richtung meist leicht schief drin. Das allein fände ich noch nicht sonderlich tragisch, wahrscheinlich überfordern 130 dicke Seiten an der kurzen Seite gebunden solch eine Bindung auch zwangsläufig...
    Kritischer aber: die hintere Verbindung zwischen Innenseiten und Cover scheint diesem Hin und Her nicht gewachsen zu sein. Mein Exemplar wurde bisher wie ein rohes Ei behandelt und (inkl. Video) fünfmal durchgeblättert, trotzdem lösen sich Klebung und Papierschichten. Mag sein, dass ich da irgendwann beherzt mit Gewebetape ran muss.

Insgesamt ist die Wertigkeit des Buchs schon sehr überzeugend, man bekommt einen echten Conversation Starter für Couchtisch oder Regal. Cover-, Papier- und Druckqualität machen einen echten Unterschied - und sorgen in besuchsarmen Corona-Zeiten dafür, dass wenigstens ich mich immer wieder freue es herumliegen zu sehen. 
Ob diese Freude aber genauso ungetrübt wäre, wenn ich ohne Gutschein den vollen, mehr als doppelt so hohen Preis gezahlt hätte, weiß ich tatsächlich nicht - dann hätte ich jedenfalls keine Lust, mir beim Blättern Gedanken um die hintere "Aufhängung" machen zu müssen. Aber mehr als meine 130 Seiten gehen eh nicht, von daher bringen die meisten anderen Bücher die Bindung wahrscheinlich auch nicht so sehr an ihre Grenzen.